Bildungskonzept

Weltdekade 2014„Ein Storch auf Reisen“:
Kinder entdecken die Welt aus der Vogelperspektive

Er verbringt jedes Jahr Hunderte von Stunden in der Luft und legt Tausende von Kilometern zurück – Abgase erzeugt er aber keine. Er reist durch bis zu 16 Länder und das zweimal im Jahr – einen Reisepass braucht er trotzdem nicht: Der Weißstorch. Jedes Jahr im Spätsommer machen sich Tausende von Zugvögeln von Deutschland aus auf ihre lange Reise nach Afrika: Die meisten von ihnen fliegen entlang der Ostroute über den Bosporus in der Türkei, den Nahen Osten bis in den Sudan und von dort weiter nach Tansania und sogar nach Südafrika. Weniger Störche nutzen die schmale Mittelmeerenge bei Gibraltar, um über die Sahara zu ihren Winterquartieren in die westafrikanische Sahelzone zwischen Senegal und Tschad zu gelangen.

Die Welt im Klassenzimmer

Der faszinierende Zug der Weißstörche steht im Zentrum des Spiels „Ein Storch auf Reisen“. Es lädt Kinder zwischen neun und zwölf Jahren ein, den Storch auf seiner langen, abenteuerlichen Reise in den Süden zu begleiten. Ziel der Spieler*innen ist es, in Kleingruppen herauszufinden, in welchem Land ihr Spielstorch überwintert. Den Weg dorthin erarbeiten sich die Kinder Land für Land an verschiedenen Lernstationen. Die zurückgelegte Strecke markieren sie auf einer großen Weltkarte mit Fähnchen. Das Spiel endet, wenn alle Gruppen ihr Winterquartier erreicht haben.

Bildung für nachhaltige Entwicklung mit dem Storch erleben

Mit ihrem Projekt „Ein Storch auf Reisen“ greift die NAJU das natürliche Interesse von Kindern an ökologischen Fragen, an Tieren und Pflanzen auf und verknüpft sie mit drei weiteren Dimensionen einer Bildung für nachhaltigen Entwicklung (BNE). Der Weißstorch als bekannter und beliebter Zugvogel in vielen Ländern und Kulturen ermöglicht es über das naturkundliches Lernen hinaus, Aspekte des globalen und interkulturellen Lernens zu einem ganzheitlichen Bildungsangebot im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zusammen zu führen.

Bildungsziele im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung

Durch spielerische Elemente, Experimente und aktiven Aufgaben begreifen die Kinder, welche  Bedeutung unsere natürliche Lebensgrundlagen, die kulturelle Vielfalt und ein gerechtes Zusammenleben in unserer Welt spielen und erschließen sich Gestaltungsmöglichkeiten. Folgende Teilkompetenzen der Gestaltungskompetenz werden gefördert:

Interdisziplinär Erkenntnisse gewinnen und handeln:

  • Lebensweise des Weißstorches: Welche Ansprüche stellt er an seinen Lebensraum? Wovon ernährt er sich hier in Deutschland und in den Ländern durch die er zieht? Wie schafft er es sich auf seiner Reise zu orientieren?
  • Gefährdung des Weißstorches: Was sind die größten Gefahren für den Storch auf seiner Reise? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen führen zu einer Gefährdung des Weißstorches?
  • Kulturelle Bedeutung des Weißstorches: Welche kulturelle Bedeutung hat der Weißstorch in den Kulturen der Länder durch die er reist?
  • Handlungsmöglichkeiten für den Weißstorchenschutz: Wie wirkt sich unser alltäglicher Lebensstil auf die Lebensbedingungen des Weißstorches aus? Welche Bedeutung spielt dabei unsere kulturelle Herkunft?

 Vorausschauend Denken und Handeln:

Der Storch bekommt als Reisender zwischen den Kontinenten die Auswirkungen unserer kulturell bedingten Lebensweise zu spüren. Er veranschaulicht so auf besondere Weise die weltweite Vernetzung des Lebens auf unserer Erde und ermöglicht es Kindern zentrale Zusammenhänge zu verdeutlichen und Handlungsmöglichkeiten hin zu einer nachhaltigen Entwicklung aufzuzeigen. Die Kinder setzen sich mit den Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Lebensbedingungen des Weißstorches auseinander. Sie verstehen, dass ihr eigenes Tun das Leben von Menschen in anderen Ländern und das des Storches beeinflussen kann. Über die Frage Wie können wir im Alltag das Leben des Storches schützen? und entlang konkreter Aktionstipps werden Kinder in die Lage versetzt, ihr eigenes Handeln bewusst und zukunftsorientiert zu gestalten.

Weltoffen und neue Perspektiven integrierend Wissen aufbauen:

Mit ihrem Spiel-Storch treten die Kinder eine Reise in den Süden an und lernen unterschiedliche Kulturen und Lebensweisen von Menschen kennen. Sie probieren verschiedene Kulturtechniken aus, lernen unterschiedliche Traditionen und Lebensstile weltweit kennen und verstehen den  Zusammenhang zwischen der Umweltsituation in den verschiedenen Ländern und dem Leben der Menschen dort und ihrem eigenem. Fragen wie „Wo kommen unsere Konsumprodukte her und wie werden sie produziert? Was hat meine Jeans mit dem Storch zu tun? Wodurch wird der Klimawandel verursacht und wie wirkt er sich in Deutschland und anderen Ländern aus?“ knüpfen an der Lebenswelt der Kinder an und öffnen von hier aus globale Bezüge.

Die eigenen Leitbilder und die anderer reflektieren können:

Der Storch bietet als Lerngegenstand besonderes Potential: Als Zugvogel verbindet er verschiedene Länder, Menschen und Kulturen. Über die Reiseroute des Storches erfahren die Kinder mehr über die Kulturen und Lebensweisen von Menschen in anderen Ländern. Sie setzen sich mit ihrer eigenen kulturellen Identität auseinander und reflektieren sie in Bezug zu der von Menschen anderer Länder. Was ist typisch deutsch? Inwieweit prägt mich die Kultur meines Landes und meinen Blick auf andere Kulturen und sind andere kulturelle Einflüsse wichtig für mich?

Empathie und Solidarität für Benachteiligte, Arme, Schwache und Unterdrückte zeigen können:

Der Storch überfliegt auf seinem Weg in den Süden viele Länder, in denen Kinder unter der Armutsgrenze leben. Viele von ihnen leiden Hunger, können nicht zur Schule gehen oder leben unter kriegsähnlichen Zuständen, wie beispielsweise in Syrien oder in den Ländern der Sahelzone. Hinzu kommt, dass die Kinder bereits die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen, die insbesondere die Industrieländer zu verantworten haben.

Entlang dieser Thematik setzen sich die Kinder mit inter- und intragenerationeller Gerechtigkeit auseinander. Sie überlegen sich, wie sie beispielsweise für einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen in unserer Gesellschaft engagieren können.

Das Bildungsprojekt „Ein Storch auf Reisen“ ermöglicht es Kindern, spielerisch und forschend verschiedene Länder und Kulturen zu erleben und den Storch und seinen Lebensraum kennen zu lernen. Das Spiel setzt auf Methodenvielfalt, interaktives, partizipatives und handlungsorientiertes Lernen und motiviert die Kinder, das eigene Leben und ein verantwortungsvolles gesellschaftliches Miteinander aktiv mitzugestalten.

Unser Kinderbeirat

Im März 2014 haben wir mit einem Kinderbeirat ausgewählte Lernstationen erprobt. Hier folgen ein paar Expertenmeinungen unseres Berater*innenteams:

Bild: Meike Lechler

Bild: Meike Lechler

 

Leonie, 7 Jahre: „Die Storch ist eines meiner Lieblingstiere! Beim Spieletest habe ich die Länder kennengelernt, die er überfliegt, um in Südafrika zu überwintern. Dann ist es ihm nämlich viel zu kalt bei uns und er findet kein Futter.“

 

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Bild: Bianca Hesse

 


Elea, 11 Jahre: „Ich war noch nie Spieletesterin und ich würde das gleich nochmal machen. Die Stationen des Storchs sind toll. Die Experimente machen Spass und sind lustig.“

 

 

Bild: Bianca Hesse

Bild: Bianca Hesse


Annika, 11 Jahre:  „Die Gefühle nur an den Augen zu erraten, hörte sich erst sehr schwer an. Der Rest des Gesichts war nämlich verschleiert wie bei alten Nomadenstämmen in Afrika. Aber wenn man richtig hinguckt, dann ist es doch einfach. Welche Gefühle wir erraten haben? Das war wütend, überrascht, ängstlich, langweilig und fröhlich.“

 

 

Bild: Bianca Hesse

Bild: Bianca Hesse

 


Nele, 10 Jahre und fast 3 Monate: „An der Station „Vogelgucker“ haben wir die Umrisse von unterschiedlichen Vöglen den richtigen Arten zugeordnet. Ohne ein Fernglas hätten wir echt Schwierigkeiten gehabt.“

 

 

Bild: Meike Lechler

Bild: Meike Lechler

 

Lenard, 13 Jahre: Habt ihr gewusst, dass Störche auch ertrinken können! Ich nicht und hab echt gestaunt, was Plastikmüll so anrichten kann. An den Stationen kann man nicht nur Neues lernen, sondern auch viel Spaß haben.“

 

Bild: Meike Lechler

Bild: Meike Lechler

 


Sonja, 10 Jahre: „Die verschiedenen Aufgaben waren spannend und in unserer Gruppe haben wir viel gelacht. Also ich habe noch nie was von den Tuarek gehört und das sich die Männer dort verschleiern.“

 

 

Die Evaluierungsergebnisse haben wir ausgewertet und das Bildungskonzept angepasst. Vor den Sommerferien 2014 fanden drei weitere Evaluierungen mit Schulklassen statt. Die vierte Klasse der Fanny-Hensel-Grundschule aus Berlin mit 17 SchülerInnen testete die überarbeiteten Lernstationen. In Brandenburg haben wir die SchülerInnen der fünften und sechsten Klasse an der Grundschule Berge in der Prignitz besucht und einen weiteren Testlauf durchgespielt.